Gospelmusik ist eine spirituelle Erfahrung, die tief in der afroamerikanischen Geschichte und Kultur verwurzelt ist. Im Interview spricht Svenja Ekigho über die Bedeutung von Glauben, Gemeinschaft und Improvisation in dieser Musik.
Frau Ekigho, wie sind Sie mit Gospelmusik in Berührung gekommen?
Mein Vater hat früher immer Boogie und Blues auf dem Klavier gespielt – da habe ich mir die Harmonien eingeprägt. Bei meinem ersten solistischen Auftritt mit elf Jahren wollte ich dann unbedingt Gospel singen und habe nie wieder damit aufgehört. Ich liebe die Tiefen und die Höhen in dieser Musik – einerseits geht es um die schweren Momente und Herausforderungen im Leben und auf der anderen Seite ist da die Gewissheit, dass wir in unserem Glauben und durch Gott getragen sind.
Heißt das, ich kann diese Musik nur machen, wenn ich an Gott glaube?
Ich glaube, dass man Gospel nicht gut singen kann, wenn man sich nicht mit etwas Höherem verbinden kann, denn es ist eine zutiefst religiöse Musik. Gospel kommt ursprünglich aus der Kultur der afrikanischstämmigen Sklaven in Nordamerika. Egal wie schlimm die Umstände sind – aus dieser Musik und aus der Bestätigung des Glaubens an Gott innerhalb der Musik haben die Menschen ganz viel Kraft geschöpft.
Das Emotionale, Expressive zieht Menschen an. Glaube muss nicht immer nur nüchtern, verbal und intellektuell funktionieren.
Ich denke, dass man Gospel nur sinnvoll singen kann, wenn man diese Haltung auch einnimmt. Daher geht es für mich auch nicht in erster Linie darum „schön“ zu singen, sondern unser Herz zu offenbaren. Musik hat auch immer etwas Metaphysisches, weil so viel des Ungreifbaren und des Unsagbaren da drinsteckt.
Warum ist die Gemeinschaft, sowohl in der Kirche als auch in Gospelchören, so ein zentraler Bestandteil dieser Musikform?
Chorsingen an sich ist etwas sehr Persönliches und Intimes, weil wir alle unsere Stimmen miteinander teilen und so einen Gesamtklang bilden. Mir ist es sehr wichtig, dass wir beim Gospel auch ein christliches Zusammenleben pflegen, so wie in einer Gemeinde auch.
Inwiefern kann Gospelmusik Menschen helfen, sich spirituell zu öffnen?
Ich finde, dass Gospel einen wichtigen Aspekt anspricht – und zwar wie wir den Glauben auch körperlich und sinnlich erfahren können. Was die Menschen an unseren Konzerten mögen, ist, dass wir kraftvoll, authentisch und nahbar sind.
Ich liebe die Tiefen und Höhen in dieser Musik – es geht um die Herausforderungen im Leben und gleichzeitig die Gewissheit, durch Gott getragen zu sein.
Wir versuchen keinen ästhetischen Akt daraus zu machen, sondern die vierte Wand zum Publikum eher aufzubrechen. Das Emotionale, Expressivezieht Menschen an. Glaube muss nicht immer nur nüchtern, verbal, intellektuell und kognitiv funktioniert.
Kommen die Menschen zu Ihren Konzerten, weil sie Sehnsucht nach einer spirituellen Verbindung haben?
Ich glaube schon. Und ihnen wird da nichts aufgezwungen – Gospel erwartet nicht, dass man das Vaterunser betet oder das Abendmahl feiert. Wenn wir göttliche Liebe spüren und uns mit dieser Liebe durch die Musik verbinden, dann können wir diese Liebe auch geben und das merkt man bei unseren Konzerten.
Ein bekanntes Element der Gospelmusik ist die Improvisation – wie trägt sie dazu bei, die Musik als eine lebendige Form des Gottesdienstes zu gestalten?
Improvisation fällt nicht jedem leicht. Das hängt damit zusammen wie man aufgewachsen ist und welche Haltung man sich traut einzunehmen. Es bedeutet die Kontrolle abzugeben und herauszutreten aus dem, was man gelernt hat. Ich muss in dem Moment mit der Musik tanzen und einen ganz individuellen Ausdruck finden, dadurch erzähle ich etwas über mich selbst – das berührt Menschen, weil man die Hosen runterlässt. Wenn wir als Sänger:innen rausgehen aus unserer Komfortzone passiert auch etwas bei den Zuhörer:innen. Wir geben performativ vor, dass wir vertrauen und dass wir unperfekt sind, das berührt die Menschen.